Genussrechte
Kurz erklärt
Genussrechte sind schuldrechtliche Beteiligungen von Investor*innen an Unternehmen mit einer Beteiligung an Gewinn und Verlust über eine festgelegte Laufzeit. Denkbar ist ergänzend auch eine Beteiligung an einem etwaigen Liquidationserlös. Die Rückzahlung erfolgt nachrangig. Einer Genussrechtsemission liegt meist ein bestimmtes Investitionsvorhaben zugrunde, das Sie ganz oder anteilig finanzieren möchten. „Beteiligung an Gewinn und Verlust“ bedeutet, dass die Rendite je nach wirtschaftlicher Lage Ihres Unternehmens schwankt und auch negativ sein kann. Dementsprechend schwankt auch der Wert Ihrer Genussrechte je nach wirtschaftlicher Lage Ihres Unternehmens. Ein unternehmerisches Mitspracherecht erhalten die Investor*innen nicht, es handelt sich um eine Form der stillen Beteiligung.
Rechtliche Hinweise
Da es keine eindeutige gesetzliche Definition für Genussrechte gibt, können sie sehr unterschiedlich ausgestaltet werden, was Laufzeit und Gegenleistung betrifft.
Genussrechtskapital wird bei entsprechender Ausgestaltung der Genussrechte als Eigenkapital gewertet. Dies hat für Sie den Vorteil, dass die Kreditwürdigkeit Ihres Unternehmens gegenüber Banken erhöht wird. Im Insolvenzfall können Investor*innen ihre Einlage vollständig oder teilweise verlieren, da sie im Verhältnis zu Verbindlichkeiten Ihres Unternehmens gegenüber anderen Gläubiger*innen (Banken, Lieferant*innen) als nachrangig gilt.
Wenn Sie öffentlich eine Vermögensanlage wie Genussrechte anbieten wollen, dann sind Sie grundsätzlich zur Erstellung eines Prospekts verpflichtet. Dieser Prospekt soll potenzielle Investor*innen umfassend über Ihr Unternehmen und das Angebot informieren. Die Erstellung eines Prospekts ist mit hohem Aufwand und Kosten verbunden. Allerdings gibt es Ausnahmeregelungen nach dem Vermögensanlagegesetz (siehe Informationen der BaFin unter Weitere Informationen und Beratung).
Genussrechte sind zu unterscheiden von Genussscheinen: Während Sie Genussrechte unternehmensintern zu geringen Verwaltungskosten in einem Register dokumentieren, handelt es sich bei Genussscheinen um extern (bei einer Bank) verwaltete und hinterlegte verbriefte Wertpapiere. Diese sind jedoch für kleinere Unternehmen aufgrund der damit verbundenen hohen Kosten weniger geeignet. Der Begriff „Genussschein“ wird jedoch von einigen Unternehmen auch in anderen Zusammenhängen verwendet, ohne dass es sich um Wertpapiere handelt, z.B. beim Gutscheinkauf.
Häufig genutzt für ...
Finanzierungssummen | Genussrechtsprojekte werden in der Praxis häufig im Rahmen bestimmter Grenzen konzipiert, um die kostenaufwändige Prospektpflicht zu umgehen, d. h. max. 100.000 Euro innerhalb von 12 Monaten. |
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Häufige Beweggründe | Genussrechte werden häufig genutzt, um die Abhängigkeit von Banken zu reduzieren oder den fehlenden Zugang zu Bankkrediten auszugleichen. Daneben werden sie auch zur Stärkung der Kundenbindung eingesetzt. |
Stand der Unternehmensentwicklung | In der Lebensmittelwirtschaft werden Genussrechte sowohl in der Gründungsphase als auch von etablierten Unternehmen genutzt. |
Sektor | Genussrechte können prinzipiell in allen Sektoren entlang der Wertschöpfungskette für Lebensmittel eingesetzt werden. Eine gute Voraussetzung ist direkter Kontakt zu Kund*innen, wie er etwa im Lebensmitteleinzelhandel oder in der landwirtschaftlichen Direktvermarktung gegeben ist. Verarbeitungsbetriebe ohne direkten Kontakt zu Kund*innen können von der Bekanntheit ihrer Marken im Lebensmitteleinzelhandel profitieren. |
Gegenleistung | Die Gegenleistung für Investor*innen kann in Form eines monetären gewinnabhängigen Zinses oder Naturalzinses (in Form von Waren oder Gutscheinen) erfolgen sowie als Kombination aus monetärem und Naturalzins. Zusätzlich können Sie pauschale Einkaufsrabatte gewähren. Auf der anderen Seite steht in der Regel eine Verlustbeteiligung. |
Kosten und Aufwand
Der rechtliche Aufwand für die Nutzung dieses Modells ist aufgrund der Abwicklung für die einzelnen Genussrechtsinhaber*innen nicht zu unterschätzen.
Gleiches gilt für den Kommunikationsaufwand zur Gewinnung von und zur Kontaktpflege mit Ihren Genussrechtsinhaber*innen.
Kosten entstehen Ihnen für eine professionell organisierte und begleitete Nutzung des Genussrechtsmodells. Entsprechende Leistungen können umfassen: prozentuale Kosten entsprechend der Höhe der ersten Emission (ggf. im Paket mit Verwaltungssoftware und Formularen) und für Folgeemissionen; ggf. Kosten für weitere Dienstleistungen wie z. B. Öffentlichkeitsarbeit zur Gewinnung von Investor*innen.
Vor- und Nachteile
- Reduziert Abhängigkeit von Banken
- Kundenbindung
- Wertung als Eigenkapital positiv für Bankkredite
- Möglichkeit, in ökonomisch schwierigen Phasen die Zinsen auszusetzen
- Hoher Kommunikationsaufwand nötig
- Hoher Verwaltungsaufwand
- Möglicher Imageverlust bei Rückzahlungsschwierigkeiten
Erfolgsfaktoren
- Ein Investitionsobjekt oder Thema, das Menschen interessiert und begeistert
- Überzeugendes Marketingkonzept Ihres Unternehmens (z. B. Regionalität)
- Bestehendes Netzwerk und vorhandener Kundenkreis
- Offenheit/Transparenz
- Professionelle Organisation mit anwaltlicher/unternehmerischer Beratung (abgeraten wird davon, das Modell in Eigenregie aufzusetzen)
- Stabile Eigenfinanzierung bzw. gute wirtschaftliche Lage Ihres Betriebes (sonst Gefahr des Imageverlustes für Ihr Unternehmen und das Modell durch Negativbeispiele)
Beispiel
Das Video zeigt am Beispiel der handwerklichen Bäckerei „Brotzeit“, wie Genussrechte mit einem Naturalzins (Einkaufsgutscheine) als Gegenleistung für die Finanzierung einer zweiten Backstube mit Ladengeschäft eingesetzt werden.
Weitere Informationen und Beratung
- Im Auftrag der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Entwicklung werden Informationen zu verschiedenen Arten von Bürgerfinanzierung zusammengetragen. Auf ihrer Website finden sich auch weitergehende Informationen zu Genussrechten mit Naturalzins.
- Das Existenzgründungsportal des BMWi zeigt anhand von Praxisbeispielen, wie u. a. Genussrechte als Form der Kapitalbeteiligung für Mitarbeiter*innen funktionieren.
- Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bietet weiterführende Informationen zu Prospektpflicht.
- Der Ratgeber Genussrechte. Grundlagen, Einsatzmöglichkeiten, Bilanzierung und Besteuerung von Michael Lühn (2013) bietet einen kompakten Überblick.
- Der Artikel Genussrechte – günstiges Kapital von Kunden und Lieferanten des Unternehmensberaters Gernot Meyer bietet einen kompakten Überblick über Voraussetzungen, Vor- und Nachteile des Modells aus Unternehmens- und Investor*innen-Sicht.
- Auf der Website der Gernot Meyer Unternehmensberatungsges.mbH finden Sie ein Genussrechte-Wiki mit Erläuterungen rund um das Modell.